Donnerstag 22. September 2022
 
Führung durch die Altstadt von Zürich
 
Organisation und Bericht: Rolf Ansorge; Bilder: Rolf, Susanne und Urs Video: Urs
 

Am 22. September trafen sich 14 Interessierte bei schönstem, aber kühlen Wetter in der Bierhalle Wolf am Limmatquai zum Mittagessen. 

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Weitere fünf Personen gesellten sich kurz vor 14 Uhr dazu, so dass wir uns pünktlich auf den Weg machen konnten. Durchs Niederdorf führte ich unsere Mitglieder, ein Mitglied der Bachtelsurfer, sowie zwei weitere interessierte Frauen zur Brunngasse 8. 

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Dort besichtigten wir die spätmittelalterlichen Wandmalereien im Haus «Zum Brunnenhof» am Neumarkt 8, die kulturgeschichtlich ausserordentlich bedeutsam sind. Aufgrund stilistischer Vergleiche ist ihre Entstehung in die Zeit um 1330 zu setzen. Damals war das Haus im Besitz einer vornehmen und reichen jüdischen Familie, die sich mit den Wandbildern offenbar einen grossen repräsentativen Saal ausschmücken liess. Die Motive der Malereien sind, soweit sie sich erhalten haben, im wesentlichen der weltlichen Kultur der christlichen Umgebung entnommen. «Jüdisch» ist nur die hebräische Anschrift der Wappen. Diese Wandmalereien sind erst seit 2020 zu besichtigen.

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Weiter gings dann durch die Froschaugasse zum «Haus zum Rech» am Neumarkt 4. Das «Haus zum Rech» zählt zu den bedeutendsten frühneuzeitlichen Bürgerhäusern in der Zürcher Altstadt. Das Gebäude mit romanischem Ursprung war vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert reich ausgestatteter Besitz vornehmer Zürcher Geschlechter. Das Haus zum Rech weist eine vielschichtige Bauentwicklung und reiche Innenausstattung auf. Seit der Renovation in den frühen 1970er Jahren beherbergt das Haus zum Rech das Baugeschichtliche Archiv sowie das Stadtarchiv. In den Räumen des Erdgeschosses finden regelmässig Wechselausstellungen zur Zürcher Stadt- und Baugeschichte statt. Eine besondere Attraktion ist das historische Stadtmodell «Zürich um 1800», Fixpunkt vieler Stadtführungen und Altstadtspaziergängen.

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Infoblatt der Stadt Zürich: Das Haus zum Rech >Download hier<

 

Durch die Spiegelgasse vorbei am Café Schober kamen wir zur Münstergasse die uns zum Grossmünster führte. Die Gründung des Grossmünsters wird durch eine Lagende beschrieben: «Karl der Grosse, der Hirsch und die Gründung des Grossmünsters». Wie Kaiser Karl der Grosse von einem schönen Hirsch zu den Gräbern der Heiligen Felix und Regula in Zürich geführt wurde und dort das Grossmünster gründete. Diese Legende wurde zwischen 1508 und 1516 vom Zürcher Chronisten Heinrich Brennwald niedergeschrieben. Allfällige ältere Fassungen sind nicht bekannt. Uns interessierte aber der Kreuzgang des Grossmünsters, der eher ein Schattendasein führt aber seine ganz eigenen Reize hat.

Der Kreuzgang des Grossmünsters stammt aus dem späten 12. Jahrhundert und war Bestandteil des Chorherrenstifts. Was die Besuchenden heute sehen, entspricht nur noch teilweise dem Original. Das 1832 aufgehobene Chorherrenstift musste Mitte des 19. Jahrhunderts dem Neubau einer Mädchenschule weichen. Der Kreuzgang wurde zerlegt und in den Neubau integriert. Diese Rekonstruktion orientierte sich zwar am Original, beinhaltet aber zahlreiche Interpretationen. (Quelle: Hochbauamt Stadt Zürich)

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In einer grossen Stadt wie auch auf einem Dorf gibt es Abwasser, das zu entsorgen ist. Das war auch im Mittelalter ein Thema, da gab es den sogenannten «Ehgraben». Einen solchen gibt es an der Schifflände zu besichtigen. Dank dem im Stadthaus abgeholten Schlüssel konnten wir den ehemaligen Ehgraben besichtigen.

Was passierte im Mittelalter mit der Notdurft der Menschen? Ein Gang durch den schmalen Ehgraben vermittelt dem Besucher ein eindrückliches Erlebnis zu diesem Thema. Attraktive Tafeln mit Texten und Bildern illustrieren die Geschichte der Abwasser- und Abfallentsorgung in der Altstadt. Zum Glück «duftet» es nicht mehr wie damals.

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Im Spätmittelalter fielen die Abfälle aus den Küchen und Latrinen der Häuser in den offenen Ehgraben auf der Rückseite der Häuser hinunter. Mit der Kloakenreform von 1867/68 zog man Gewölbe in den Ehgräben ein und versenkte Kanalisationsrohre in den Boden. Das damals eingeführte Kübelsystem wurde nach dem ersten Weltkrieg durch das heute noch übliche Schwemmsystem ersetzt.

Nach der Choleraepidemie von 1855 kam Kritik an den hygienischen Verhältnissen bei der Abfallentsorgung auf. 1860-1873 wurde die Abwasserkanalisation erstellt, 1867 folgte die Kloakenreform. 1868 wurde die Trinkwasserversorgung verbessert, die den öffentlichen Brunnen Quellwasser und den Haushaltungen Brauchwasser aus der Limmat zuleitete. Nach der Typhusepidemie von 1884 wurde das Wasser dem See entnommen und ab 1895 auch Quellwasser aus dem Sihl- und dem Lorzetal bezogen.

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Der Ehgraben, Dokumentation der Stadt Zürich >Download hier<

 

Von der Schifflände war es nicht weit bis zur Wasserkirche. Die Wasserkirche ist der Ort, wo im Mittelalter die Hinrichtungsstätte der Stadtheiligen Felix und Regula verehrt wurde. 1940/41 fanden hier archäologische Ausgrabungen statt, die seither besichtigt werden können. Der Raum wurde 2006 neugestaltet.

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Eine erste Kirche im 10. Jahrhundert, ein vornehmer Bestattungsort im Hochmittelalter, der sagenumwobene Märtyrerstein: die archäologische Krypta bietet Einblick in die reiche Geschichte der Wasserkirche. An der mehrsprachigen Hörstation können die Leidensgeschichte von Felix und Regula und weitere Gründungslegenden der Stadt Zürich gehört werden.

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Über die Münsterbrücke erreichten wir die Fraumünsterkirche.

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Unser Ziel hier war der Kreuzgang. Der ursprüngliche Kreuzgang entstand im romanischen Stil und war reich verziert. Er wurde 1898 abgerissen. Darauf errichtete der Architekt Gustav Gull im Durchgang zwischen dem Fraumünster und dem neuen Stadthaus einen Teilkreuzgang. Hier sieht man den Freskenzyklus des Zürcher Malers Paul Bodmer mit Darstellungen zur Gründungslegende des Fraumünsters. Seit 2004 steht hier auch ein modernes Denkmal für die letzte Fraumünster-Äbtissin Katharina von Zimmern.

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Hier sieht man den Freskenzyklus des Zürcher Malers Paul Bodmer mit Darstellungen zur Gründungslegende des Fraumünsters. Seit 2004 steht hier auch ein modernes Denkmal für die letzte Fraumünster-Äbtissin Katharina von Zimmern.

Geschichte des Fraumünsters: Nach der überlieferten Gründungslegende seien die zwei Töchter des ostfränkischen Königs Ludwig des Deutschen, Hildegard und Bertha, auf die Burg Baldern auf dem Albis gezogen, um in der Abgeschiedenheit ihr Leben Gott zu widmen. Oft seien sie ins nahe Zürich gewandert, um dort in einer Kapelle zu beten. Gott habe den frommen Schwestern dabei jeweils einen Hirsch mit auf den Weg gegeben, dessen Geweih hell leuchtete und ihnen dadurch den Weg durch den dunklen Wald wies. Der Hirsch habe ihnen eine Stelle bei der Limmat gezeigt, wo sie eine Kirche errichten sollten. König Ludwig habe darauf an dem bezeichneten Ort die Fraumünsterabtei gestiftet, der zuerst Hildegard, nach deren Tod ihre Schwester Bertha vorstand.

Die Gründungslegende wurde von Paul Bodmer für die Ausmalung des Fraumünsterkreuzgangs 1924–34 aufgegriffen. Ein Fresko der Gründungslegende aus der Zeit der Äbtissin Elisabeth von Wetzikon (1270–1298) wurde in der Reformation übertüncht, in der Mitte des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt und von Franz Hegi abgezeichnet – danach wurde es wiederum übertüncht und damit unwiederbringlich zerstört. Bei den Renovationsarbeiten in den 2000er Jahren wurde diese kolorierte Bildtafel an die Stelle gesetzt, an der das ursprüngliche Fresko zu finden war (Grabnische der Äbtissinnen). Die Gesellschaft zu Fraumünster, die 1988 gegründet wurde, bezog die Legende in ihr Wappen ein, das einen weissen Hirsch auf blauem Grund mit drei gelben Lichtern im Geweih aufweist.

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Infoblatt der Stadt Z/ürich: Fresken Kreuzgang Fraumünster >Download hier<

 

Um die Ecke gelangten wir zum Münsterhof. Dieser wurde 2015/16 umgestaltet und autofrei. Bei den Bauarbeiten für den neuen Münsterhof war die Archäologie mit vorgängigen Grabungen beteiligt. Die Untersuchungen sind abgeschlossen. Zum Vorschein kamen römische sowie früh- und hochmittelalterliche Siedlungsstrukturen und das frühmittelalterliche Friedhofsareal.

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Bilder: Stadt Zürich, Baugeschichtliches Archiv, Ausgrabungen 1977/1978

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Über die Storchengasse gelangten wir zur Thermengasse. Hier bestaunten wir das antike Wellness: die römischen Bäder von Turicum, wie Zürich bei den Römern hiess. In der schmalen Thermengasse befindet man sich mitten innerhalb des Grundrisses des ehemaligen römischen Bades. Die 1983/84 freigelegten archäologischen Reste der Thermen sind über ein Bodengitter begehbar und können jederzeit besichtigt werden.

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Infoblatt der Stadt Zürich: Thermengasse Tafeln >Download hier<

 

Von der Thermengasse geht es die Strehlgasse hoch, wo wir das bekannte Lokal Kindli erblicken.

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Ein paar Meter weiter steht ein Brunnen, der Amazonenbrunnen, einer von über 1200. Er wurde ca. 1430 in Betrieb genommen. Mit einer Figur, die den Brunnen schmückt, ist er einer der ersten Zürcher Brunnen, der auch als öffentliches Kunstwerk betrachtet wurde. Ist der älteste Röhrenbrunnen, und der erste öffentliche Laufbrunnen mit Quellwasser aus dem Quellwassernetz.

Was wäre eine Stadt ohne Wasserversorgung. Abgesehen von der Versorgung der Häuser, stehen in Zürich 1224 Brunnen. Rund 320 der 1224 Brunnen, die meisten historische Altstadtbrunnen, sowie die über 80 Notwasserbrunnen, werden über ein separates Quellwassernetz von 150 Kilometer Länge gespiesen. Übrigens, Rom hat etwa doppelt so viele Brunnen, aber in Zürich hat es etwa alle 100m einen.

Das Wasser stammt zum grössten Teil aus Quellfassungen, welche seit dem 15. Jahrhundert in den Hügeln rund um Zürich erstellt wurden. Das separate Quellwassernetz hat eine wichtige Bedeutung für die Notwasserversorgung der Stadt Zürich.

Die übrigen Brunnen sind am normalen Verteilnetz (Züriwasser) der Wasserversorgung angeschlossen und werden – wie die Haushaltungen – mit einer Mischung aus 70 Prozent Seewasser, 15 Prozent Quellwasser und 15 Prozent Grundwasser beliefert. 

Der Lindenhof ist unser nächstes Ziel.

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Der Lindenhof war einst Brennpunkt und Machtzentrum der städtischen Siedlung. Im Lindenhof-Keller mit seinen imposanten, historischen Mauern können heute die Reste des römischen Kastells und der mittelalterlichen Königspfalz besichtigt werden. Mit demselben Schlüssel wie für die Türe des Ehgrabens, öffnen wir den Treppenabgang zum Lindenhof Keller.

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Der Lindenhofbrunnen auf dem Lindenhof: Seit 1667 in Betrieb (Quellwasser). Der heutige Brunnen wurde 1912 in Erinnerung an die tapferen Zürcherinnen erstellt, die 1292 in Kampfmontur ein österreichisches Heer vor einer Stadtbelagerung abgeschreckt haben sollen.

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Vom Lindenhofbrunnen aus blickten wir zur Limmat, zum Limmatquai und zu Universität und ETH.

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Da die Zeit schon fortgeschritten war, verabschiedeten wir uns hier. Vorgesehen war noch ein Besuch im Amtshaus IV, Lindenhofstr. 9. In vierzig Schritten rund um Zürich: Das Stadtmodell im Amtshaus IV zeigt Zürich im Massstab 1:1000. Über 50'000 Gebäude der Stadt sind auf Sperrholzplatten nachgebaut. Von Neubauten werden laufend Modelle aus massivem Ahornholz ergänzt. Auf rund 100 Quadratmetern veranschaulicht das Modell, wie sich Zürich verändert und auch in Zukunft verändern wird.

Ausserdem gibt es im Parkhaus Urania das archäologische Fenster im renovierten Eingang. Der Ort, an dem heute das Parkhaus Urania steht, hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Die Spuren führen von der Strafanstalt über ein Frauenkloster zurück bis zum römischen Tempel. Das Fenster beleuchtet die Stationen mit Bildern und Texten.

Diese Beiden Objekte kann man bei einem Besuch von Zürich auch selber Mal zu Gemüte führen.

Mir hat es Spass gemacht, euch meine Heimatstadt auf eine andere als die übliche Weise zu präsentieren.

Euer Präsident

Rolf

 

 

In der Bildershow von Urs sind noch viele weiter Eindrücke dieser Altstadtführung zu sehen.